2023

Entscheide des Schweizerischen Bundesgerichts zum Erbrecht, zur Erbschaftssteuer und zur Strukturierung des Vermögens (Stiftungen, Trusts)
des Jahres 2023
Redaktion successio online (Hans Rainer Künzle), 01.01.2023
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II. zivilrechtliche Abteilung – Erbrecht – Ungültigkeitsklage (Erbschaft)

Die Abhängigkeit von einer bestimmten Person ist kein selbstständiges Verdachtsmoment im Hinblick auf eine mögliche Urteilsunfähigkeit. Ob eine Abhängigkeit bzw. Einflussnahme einer bestimmten Person im konkreten Fall die Urteilsfähigkeit entfallen lässt, ist gesondert zu prüfen (E. 4.2).
Eine Demenzerkrankung, die sich in Störungen im Kurzzeitgedächtnis und der Hilfsbedürftigkeit zur Gestaltung des Alltags zeigt, nicht aber einen dauernden Verwirrtheitszustand bewirkt, stellt keinen Schwächezustand i.S.v. Art. 16 ZGB dar, welcher nach allgemeiner Lebenserfahrung im Normalfall vernunftgemässes Handeln ausschliesst (E. 5.3.3).
Ein Erblasser gilt als urteilsunfähig, wenn einerseits eine abnorme Beeinflussbarkeit feststeht und andererseits auf ihn Einfluss ausgeübt wurde. Die Wirksamkeit des Beeinflussungsversuchs ist diesfalls zu vermuten. Die Anforderungen an die Testierbarkeit dürfen nicht überspannt werden, da die Erblasserin auch in prekären Situationen physischer oder psychischer Belastung oder Schwäche letztwillig verfügen dürfen soll (E. 6.1.1).
Allein aus der Tatsache, dass eine Person eine Vertrauensperson der Erblasserin war, kann nicht geschlossen werden, sie habe Einfluss auf die Erblasserin ausgeübt (E. 6.3.4).

Tribunale Federale 5A_150/2023 del 06.03.2023
II Corte di diritto civile - Diritto successorio - udienza (divisione ereditaria)<
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Tribunal Fédéral 5A_443/2022 du 03.03.2023 
IIe Cour de droit civil - Droit des successions - Bénéfice d'inventaire (irrecevabilité)
La notification d'une décision est de manière irrégulière, si elle est faite à un avocat qui n'a pas été mandaté par le destinataire de la décision. Sous réserve du principe de la bonne foi, le délai pour attaquer la décision ne commence à courir que le jour où le destinataire de la décision peut en prendre connaissance (c. 7).
Die Zustellung eines Entscheids ist mangelhaft, wenn diese an einen Anwalt erfolgt, der vom Adressaten des Entscheids nicht bevollmächtigt worden ist. Die Rechtsmittelfrist wird vorbehältlich des Grundsatzes von Treu und Glauben erst am Tag ausgelöst, an welchem der Adressat des Entscheids von diesem Kenntnis erhalten kann (E. 7).

Tribunal Fédéral 5A_442/2022 du 03.03.2023 
​​​​​​​IIe Cour de droit civil - Droit des successions - administration d'office de la succession (irrecevabilité)
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Tribunal Fédéral 5D_27/2023 du 24.02.2023 
IIe Cour de droit civil - Droit des successions - mainlevée définitive
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II. zivilrechtliche Abteilung – Erbrecht - Mitteilung der Urteilsberatung (Erbteilung)
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II. zivilrechtliche Abteilung – Erbrecht - Verzicht auf Beweisverfügung (Erbteilung)
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Tribunal Fédéral 5A_969/2022 du 20.02.2023 
IIe Cour de droit civil - Droit des successions - succession
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Tribunal Fédéral 5A_234/2022 du 13.02.2023 
IIe Cour de droit civil - Droit des successions - honoraires du représentant de la communauté héréditaire

La désignation d'un représentant de la succession constitue une mesure provisionnelle au sens de l'art. 98 LTF. Il en va de même pour toutes les décisions qui y sont liées. Les décisions relatives aux mesures provisoires ne peuvent être attaquées devant le Tribunal fédéral que pour violation des droits constitutionnels. Le Tribunal fédéral n'examine un tel grief que si, conformément au principe d'allégation, il a été invoqué et motivé (art. 106 al. 2 LTF) (c. 3.1).
Une autorité cantonale ne tombe pas dans l'arbitraire si elle ne recherche pas elle-même dans les pièces versées au dossier les éléments de fait pertinents à l'appui des griefs soulevés (c. 5).
Die Bestellung eines Erbenvertreters ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG. Dasselbe gilt für die damit zusammenhängenden Entscheide. Entscheide über vorsorgliche Massnahmen können vor Bundesgericht nur wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte angefochten werden. Es gilt das strenge Rügeprinzip gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG (E. 3.1).
Eine kantonale Behörde verfällt nicht in Willkür, wenn sie nicht selbst in den Akten nach den relevanten Tatsachenelementen zur Untermauerung der erhobenen Rügen sucht (E. 5).
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Tribunal Fédéral 5A_508/2021 du 19.01.2023 
IIe Cour de droit civil - Droit des successions - rémunération des exécuteurs testamentaires; responsabilité des exécuteurs testamentaires

Conformément à l'art. 97 CO, la faute est présumée. Il reste cependant aux héritiers à apporter la preuve des faits permettant de constater que les trois autres conditions de la responsabilité civile des exécuteurs testamentaires selon art. 97 CO sont réunies. Il leur incombe de prouver le dommage invoqué, tant en ce qui concerne son existence que son montant (art. 42 al. 1 CO) (c. 8.3.2.1).
C'est une question de fait de savoir si un dommage a été causé et quel est son montant. En revanche, c’est une question de droit de dire si la notion juridique du dommage a été méconnue et de déterminer si l'autorité cantonale s'est fondée sur des principes de calcul admissibles pour le fixer. En outre, il appartient uniquement au juge et non à l'expert de tirer les conséquences juridiques d'une expertise (c. 8.3.2.2).
Gemäss Art. 97 OR wird das Verschulden vermutet. Es bleibt aber Sache der Erben, den Beweis für die anderen drei Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung des Willensvollstreckers gemäss Art. 97 OR zu erbringen. Es obliegt ihnen, den geltend gemachten Schaden sowohl hinsichtlich seines Bestehens wie auch hinsichtlich seiner Höhe zu beweisen (Art. 42 Abs. 1 OR) (E. 8.3.2.1).
Es ist eine Frage des Sachverhalts, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. Ob der Rechtsbegriff des Schadens verkannt wurde und ob sich die kantonale Behörde bei der Festsetzung des Schadens auf zulässige Berechnungsgrundsätze gestützt hat, ist hingegen eine Rechtsfrage. Darüber hinaus ist es allein Sache des Richters und nicht des Sachverständigen, die rechtlichen Konsequenzen aus einem Gutachten zu ziehen (E. 8.3.2.2).

II. zivilrechtliche Abteilung – Erbrecht - Ungültigkeit eines Erbvertrages
Beim Abschluss eines Erb(verzichts)vertrags sind zusätzlich bzw. abweichend zu den Voraussetzungen der Art. 499 ff. ZGB zu beachten, dass der Vertrag zum einen von beiden Parteien zu unterzeichnen ist, und zwar entgegen Art. 13 OR selbst dann, wenn eine Partei keine Gegenleistung erbringt. Zum anderen müssen beide Parteien vor dem Notar erscheinen und haben ihre Willensäusserung anlässlich des gleichen Vorgangs abzugeben. Schliesslich müssen die Zeugen beim Selbstlesungsverfahren nicht erst nach der Datierung und Unterzeichnung durch die Parteien beigezogen (vgl. Art. 501 Abs. 1 ZGB), sondern die Urkunde muss im Beisein der Zeugen und der Urkundsperson unterschrieben werden (Art. 512 Abs. 2 ZGB). Es handelt sich bei diesen Vorgaben um Gültigkeitsvorschriften, deren Verletzung das Rechtsgeschäft bei Anfechtung auf der Grundlage von Art. 520 ZGB ungültig macht (E. 2.1.1.2 f.).

Tribunale Federale 5A_504/2021 del 19.01.2023
II Corte di diritto civile - Diritto successorio - provvedimenti assicurativi della devoluzione ereditaria
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Die Ausstellung einer Erbbescheinigung nach Art. 559 ZGB ist ein Anwendungsfall der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Entscheid über die Ausstellung der Erbbescheinigung stellt eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG dar (E. 1.1 f.).
Die kantonale Behörde handelt nicht willkürlich, wenn sie die Erbbescheinigung gestützt auf eine Fotokopie des italienischen Personenstandsregisters ausstellt, die nicht offiziell beglaubigt wurde (E. 4).


II. zivilrechtliche Abteilung – Erbrecht - Kostentragung (Aufsicht über den Willensvollstrecker)

Es ist nicht willkürlich, dem nach Art. 14 VRG/NW Beigeladenen, der im aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen den Willensvollstrecker in seiner Stellung als Erbe betroffen ist, nach Massgabe seines Unterliegens die Verfahrenskosten aufzuerlegen (E. 5.3 f.).
Das rechtliche Gehör verpflichtet das Gericht nicht, Offensichtliches zu begründen. Die erforderliche Begründungsdichte bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (E. 6).

II. zivilrechtliche Abteilung – Erbrecht – Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung

Zur Beschwerde in Zivilsachen ist berechtigt, wer ein aktuelles und praktisches Interesse an der Gutheissung der gestellten Rechtsbegehren hat. Ob das notwendige Interesse gegeben ist, beurteilt sich nach den Wirkungen und der Tragweite einer allfälligen Gutheissung der Beschwerde (E. 3.1).
Das praktische Interesse ist im Verfahren auf Ungültigkeitserklärung einer Verfügung von Todes wegen zu verneinen, wenn die gerichtlich für ungültig zu erklärende Verfügung von Todes wegen inhaltlich mit einer früheren Verfügung von Todes wegen übereinstimmt, die ihrerseits durch das ungültige Testament aufgehoben worden ist (E. 3.2).

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